Dann helfen den Israelis keine Scharfschützen mehr
Noch werfen die Palästinenser Steine und Molotowcocktails. Wenn sie aber gewaltfrei protestieren, wenn Frauen und Kinder vor der Grenze stehen, hat Israel ein Legitimationsproblem.
Das Blutbad am Grenzzaun zum Gaza-Streifen hat einen Aspekt, der über die ungeheuerliche Zahl von mindestens 60 Toten und mehr als 2000 Verletzen hinausweist. Vordergründig geht es darum, wer Verantwortung trägt - die palästinensische Hamas oder Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu oder, viel eher, beide.
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Weit wichtiger ist aber, was Barrikadensturm und Schießerei angesichts des 70-jährigen Nationalfeiertags des Staates Israel und des ebenso alten palästinensischen Flucht- und Vertreibungstraumas, belegen: Der Nahost-Konflikt kennt keine gemeinsame historische Erzählung und keine eineindeutige politische Zukunftsdeutung. Er gestattet daher auch keine einvernehmliche Lösung. Die Erzfeindschaft zwischen Israelis und Palästinensern bleibt das, was sie immer war: Ein Kampf um Land, bei dem das Recht des Stärkeren gilt.
Die einen haben das Land 1967 genommen, die anderen fordern es zurück. Derzeit haben die Palästinenser nicht die geringste Chance, ihr Ziel zu erreichen, weder mit Terror noch auf dem Weg von Verhandlungen. Das zeigt die völkerrechtlich illegitime Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem; sie steht für die von den USA anerkannte Inbesitznahme von ganz Jerusalem durch den Staat Israel. Damit für unverhohlene Parteilichkeit in einem Konflikt, der ohne unparteiischen Makler nur zu neuer Gewalt führt.
Der Einweihungsakt der US-Vertretung war eine Miniatur des sieben Jahrzehnte alten Konflikts. Washington hat sich im entscheidenden Moment auf die Seite Israels geschlagen, bis hin zur Blockadehaltung im UN-Sicherheitsrat, die eine Untersuchung der Grenzvorfälle unterbindet. Die internationale Diplomatie hat nach mehren Jahrzehnten somit versagt, die Papiere zur Zweistaatenlösung kommen irgendwann in den Reißwolf, die Palästinenser in Gaza und im Westjordanland bleiben, wo sie sind: jenseits von Mauer und Grenzzaun.
Bislang spielt die Hamas Israels Hardlinern in die Hände
Das klingt nach einem Erfolg für Israel, ist es aber nicht. Im Gegenteil, der jüngste Grenzkonflikt eröffnet eine neue Front. Die Palästinenser versuchen sich trotz ihres hohen Blutzolls an neuen, eher ungewohnten Formen des aus ihrer Sicht legitimen Widerstands gegen Israel. Man muss nicht auf der arabischen Seite stehen, um zu begreifen, dass friedliche Massendemonstrationen an der Grenze, dass unbewaffnet zur Grenze marschierende Frauen und Kinder aus einer Bevölkerung von eineinhalb Millionen Menschen Israels Albtraum sein müssen.
Noch schleudern die Palästinenser Molotowcocktails, werfen Steine. Wenn sie das lassen und sich ohne Waffen auf den Grenzzaun zu bewegen, hat Israels Regierung ein wirkliches Legitimationsproblem. Scharfschützen gegen gewaltfrei auftretende Protestierer - das mag bestenfalls in Ägypten oder Syrien gehen, ganz sicher aber nicht in Israel.
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Bislang spielt die Hamas in ihrer vom Heil des Märtyrertods verblendeten Wahrnehmung des Konflikts den Hardlinern in Israel in die Hände. Solange ein Palästinenser einen Stein hebt, greift das Argument, dass die Hamas die Proteste instrumentalisiert, dass sie Deckmantel für Terroristen sind. Aber wenn die Hamas ins Nachdenken kommt, wenn sie in Gedanken an Gandhi ihre Taktik ändert? Dann haben die Palästinenser eine Chance - indem sie Frauen und Kinder an die Grenze schickt. Da helfen den Israelis auch keine Scharfschützen mehr.
der nahe osten ist wie ein Druckkochtopf ! jede minute kann der scheiss explodieren !